Lübeck,
17. Juni 2021
Bauboom in Lübeck?
Thomas Klempau, DMB Mieterverein Lübeck
Die IG Bau hat im Juni berichtet, dass im Jahr 2020 insgesamt 1.035
Wohnungen in Lübeck fertig gestellt worden seien und spricht von einem
Bauboom. Dem Mieterverein ist nicht bekannt, wie sich die fertig
gestellten Wohnungen auf die Segmente Ein- und Zweifamilienhäuser,
Eigentumswohnungen, Mietwohnungen oder wie sie sich in preislicher
Hinsicht auf freifinanzierte oder gebundene Wohnungen verteilen. Darüber
hinaus ist uns nicht bekannt, um wie viele Ersatzneubauten es sich bei
den Fertigstellungen handelt, soweit diese auf Mietwohnungen entfallen.
Es nützt dem Wohnungsmarkt und den zahlreichen Haushalten, die sich oft
über viele Monate vergeblich um eine Mietwohnung bemühen, nämlich
nichts, sofern auf einem Grundstück zunächst 100 Wohnungen mit einer
Durchschnittsmiete von 6,50 Euro nettokalt abgerissen und an gleicher
Stelle 90 Wohnungen neu gebaut und mit einer Durchschnittsmiete von 11
Euro angeboten werden. In die Statistik gehen dann üblicherweise
lediglich die neu gebauten Wohnungen ein, deren Mieten für viele
Haushalte nicht erschwinglich sind.
Erst wenn dem Bau geförderter und bezahlbarer Mietwohnungen oberste
Priorität eingeräumt und Wohnraum schwerpunktmäßig in dem Segment
errichtet wird, in dem die größte Nachfrage vorherrscht, kann der
Einstieg gelingen, dass sich die Lage auf dem Lübecker Wohnungsmarkt
entspannt. Im Moment ist leider das Gegenteil der Fall. Der
Wohnungsmarktbericht 2020 weist für Lübeck eine durchschnittliche
Leerstandsquote von nur noch 0,8 Prozent aus. In einem ausgeglichenen
Wohnungsmarkt liegt die Leerstandsquote zwischen 3 bis 5 Prozent.
Unterhalb von 2 Prozent spricht man allgemein von Wohnungsknappheit und
unterhalb von 1 Prozent von Wohnungsnot. Bei einer Leerstandsquote, die
von 2 Prozent im Jahr 2019 auf 0,8 Prozent im Jahr 2020 geschrumpft ist,
kann man nur von einer höchst Besorgnis erregenden Entwicklung sprechen,
die sich nicht mehr schönreden lässt.
Die Lübecker Wohnungswirtschaft favorisiert seit Jahren den
Ersatzneubau, anstatt die Mehrfamilienhäuser mit den erschwinglichen
Mieten stehen zu lassen und den Schwerpunkt auf Zusatzneubau,
Aufstockung und Ausbau von Dachgeschossen zu legen. Entscheidend ist
daher nicht die Anzahl fertig gestellter Wohnungen, sondern ob sich der
Gesamtbestand an Mietwohnungen auf der Angebotsseite unter dem Strich
vergrößert hat und ob die neu errichteten Wohnungen leistbar sind. Auch
die berühmten Sickereffekte, die gern als Argument bemüht werden, dass
der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen den
Markt entlaste, da die künftigen Eigentümer ihre bisherigen
Mietwohnungen frei machen, verschleiert, dass die frei gewordenen
Mietwohnungen regelmäßig zu Höchstpreisen neu vermietet werden und daher
für Haushalte mit finanziell eingeschränkten Möglichkeiten nicht in
Betracht kommen. Außerdem ist es keineswegs so, dass Ein- und
Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen ausschließlich von Personen
erworben und bezogen werden, die zuvor eine Wohnung in Lübeck angemietet
hatten.
Es muss auch für Lübeck dringend ein Masterplan sozialer und
gemeinnütziger Wohnungsbau her, wie es die IG Bau auf Bundesebene
richtigerweise fordert. Bis ein solcher Plan erstellt und umgesetzt
worden ist, braucht es einen bundesweiten Mietenstopp. Wir unterstützen
daher das Mietenstopp-Bündnis mit seinen Forderungen, die unter
www.mietenstopp.de zu finden sind.
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