Lübeck,
10.10.2016
Endlich Aufwachen!
Thomas Klempau, DMB Mieterverein Lübeck
Die Neuaufstellung des
Lübecker Mietspiegels offenbart die Befürchtung des Mietervereins, dass
die Mieten auf dem Lübecker Wohnungsmarkt enorm gestiegen sind, nämlich
um 9,6 Prozent innerhalb von nur vier Jahren. Einen solchen Anstieg hat
es seit Einführung des ersten Lübecker Mietspiegels im Jahr 1993 noch
nicht gegeben.
Treiber für diesen
Mietenanstieg dürften vor allen Dingen die unsäglichen Diskussionen um
die Kappungsgrenzen- und Mietpreisverordnung gewesen sein. Beide
Instrumentarien sind nicht auf dem Lübecker Wohnungsmarkt eingeführt
worden. Gleichwohl haben viele Privatvermieter und die gewerbliche
Wohnungswirtschaft aufgrund der Annahme, dass die sog.
"Mietpreisbremsen" auch in Lübeck gelten könnten, auf breiter Front
Mieterhöhungen geltend gemacht nach dem Motto: "Lieber jetzt noch
schnell holen, was geht, bevor es hier künftig eventuell Einschränkungen
gibt." Insbesondere der Haus & Grund Landesverband und seine
Mitgliedsvereine haben auf Veranstaltungen und über die Verbandszeitung
lautstark zur Vornahme von Mieterhöhungen aufgefordert. Der Erfolg und
die Wirkungen solcher Appelle sind eindrucksvoll an
den neuen Mietspiegelwerten abzulesen.
Mit Sorge ist zu
beobachten, dass es in der Hansestadt zunehmend nur noch darum geht, die
größtmögliche Rendite aus der Vermietung von Wohnraum zu erzielen und
nicht mehr darum, wie insbesondere Haushalte mit finanziell
eingeschränkten Möglichkeiten mit für sie bezahlbaren Wohnungen
angemessen versorgt werden können. Wohnungswirtschaft und
Wohnungspolitik müssen endlich aufwachen und sich nachhaltig für eine
konsequent am Bedarf orientierte Wohnraumversorgung einsetzen.
Lübeck braucht dringend
eine Angebotserweiterung im Segment preisgünstiger Wohnungen mit
Kaltmieten auf Sozialwohnungsniveau von 5,65 Euro pro Quadratmeter, die
zur Unterbringung von Familien mit Kindern, Alleinerziehenden,
Alleinstehenden, betagten Menschen und Studierenden benötigt werden. Die
Anzahl der Haushalte, die auf solche Wohnungen angewiesen sind, wächst
stetig an.
Das Land hat in der
Vergangenheit mehrfach die Förderbedingungen für den Sozialwohnungsbau
nachjustiert, um die Wirtschaftlichkeit geförderter Bauvorhaben zu
verbessern mit dem Ziel einer langfristigen Entlastung der Mieter durch
dauerhaft niedrige Fördermieten. Es liegt an der Wohnungswirtschaft,
diese Mittel abzurufen, anstatt sich Geld auf dem freien Kapitalmarkt
oder von Genossenschaftsmitgliedern zu besorgen, um dann auch noch Darlehen der
sozialen Wohnraumförderung vorzeitig abzulösen und damit den
Abschmelzprozess im Sozialwohnungsbestand zu beschleunigen.
Die Stadt muss dafür
sorgen, dass Fördermittel zielgerichtet in die Angebotserweiterung
preisgünstiger Mietwohnungen gelenkt werden. Es ist nicht richtig, 25
Prozent der aus dem "Wohnraumförderprogramm 2015 bis 2018" abgerufenen
Mittel (50 Millionen Euro) für Ersatzneubau und 75 Prozent für
Modernisierungen mit oft drastischen Mieterhöhungen einzusetzen. Eine
solche Mittelverwendung orientiert sich nicht am notwendigen Bedarf und
bewirkt keinen Zuwachs an bezahlbaren Wohnungen.
Stattdessen wäre es
besser, Wohnungen mit niedrigen Mieten erst einmal auf dem Markt zu
belassen und Fördermittel ausschließlich für eine Erweiterung im
Sozialwohnungsbestand einzusetzen. Denn durch den Wegfall von 2.400
Bindungen im Juni 2014 gibt es nur noch 7.500 Sozialwohnungen, von denen
schätzungsweise ein Drittel fehlbelegt sind. Für 41.500 Personen, die in
Lübeck auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, wäre ein Bestand
von mindestens 12.000 Sozialwohnungen notwendig.
Wohnungspolitik und
Wohnungswirtschaft müssen sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein
und auch danach handeln. Es ist höchste Zeit!
Hier der Beitrag
in der MieterZeitung
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