Lübeck, 3.3.2021

Mietspiegel 2021

 Thomas Klempau, DMB Mieterverein Lübeck

Über alle Mietspiegelfelder hinweg haben sich die Bestandsmieten in der Hansestadt Lübeck innerhalb der letzten drei Jahre im Durchschnitt um mehr als 15% erhöht. Ein solcher Anstieg ist für Lübecker Verhältnisse erheblich und ein deutliches Alarmzeichen, dass es ein viel zu geringes Angebot an verfügbaren Wohnungen gibt. Bestätigt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass die Leerstandsquote stark gesunken ist und nur noch 0,8% beträgt. Bei einem derart niedrigen Wert spricht man allgemein von einem sehr angespannten Wohnungsmarkt oder sogar von Wohnungsnot.

Mussten im Jahr 2018 für eine 60 m² große Wohnung im Mietspiegeldurchschnitt 400 Euro gezahlt werden, waren es im Jahr 2021 bereits 460 Euro. Ein derart rasanter Mietenanstieg bereitet große Sorge und korrespondiert bei den Bestandswohnungen regelmäßig nicht mit einer entsprechenden Verbesserung der Wohnqualität aufgrund von Investitionen in das Mietobjekt, in das Gebäude oder in das Wohnumfeld. Er ist auch nicht allein das Resultat aus steigenden Baustoff-, Energie- und Personalkosten oder erhöhter technischer und energetischer Anforderungen bei Sanierung und Neubau, sondern vor allen Dingen die Folge einer enormen Wohnraumknappheit und einer aus dem Ruder laufenden Bauland- und Immobilienpreisentwicklung. Bei aktuell 122.000 Lübecker Haushalten besteht unter Ansatz einer Fluktuationsreserve von 3% ein Wohnungsbedarf im Eigentums- und Mietsegment von insgesamt mindestens 125.500 Wohnungen. Tatsächlich gibt es in Lübeck aktuell lediglich 119.500 Wohnungen. Damit klafft schon jetzt eine Wohnraumlücke von 6.000 Einheiten.

Der leergefegte Wohnungsmarkt trägt entscheidend dazu bei, dass die Angebotsmieten steil nach oben gehen und das Mietpreisniveau insgesamt stark anheben. Die allgemeine Lohnentwicklung kann lediglich einen kleinen Teil des Anstiegs bei der Wohnkostenbelastung kompensieren, zu der neben der Miete auch noch Heiz-, Betriebs- und Energiekosten gehören, die ebenfalls nur eine Richtung kennen und immer teurer werden. Hinzu kommt, dass auf der Anbieterseite in den vergangenen Jahren alles andere als Zurückhaltung bei Mieterhöhungen und Neuvertragsmieten zu beobachten ist. Stattdessen haben wir es in unseren Beratungen mit einer in diesem Ausmaß bisher nicht dagewesenen Flut an Mieterhöhungsvorgängen zu tun, und das in einer Zeit, in der sehr viele Mieterhaushalte im Besonderen unter den Folgen von Pandemiemaßnahmen gelitten haben.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es angemessen und fair ist, auf der Entgeltseite eines Mietverhältnisses das Abschöpfen der Folgen einer ungesunden Wohnungsmarkt- und Mietpreisentwicklung weiterhin nahezu ungebremst zu ermöglichen und dabei unberücksichtigt zu lassen, ob dem im konkreten Mietverhältnis ein adäquater Zuwachs bei der Wohnqualität gegenübersteht oder ob der Mieterhaushalt finanziell überfordert wird? Eine Deckelung von Wohnraummieten findet bisher auf keiner politischen Ebene Mehrheiten. Schleswig-Holstein mit seiner Jamaika-Koalition war das erste Bundesland, welches die Kappungsgrenzenverordnung nicht verlängert und die Mietpreisverordnung sogar vorzeitig aufgehoben hat. Und noch nicht einmal die vom DMB Landesverband Schleswig-Holstein und vom Sozialverband Deutschland organisierte Volksinitiative zur Aufnahme des Rechts auf angemessenen Wohnraum in die Landesverfassung erhielt vom Landtag eine Mehrheit.

Insofern ist zu fordern, auch im Zusammenhang mit der Erhöhung von Bestandsmieten eine Härtefallregelung analog zur Regelung bei Modernisierungsmieterhöhungen einzuführen, wo ein Härteeinwand (§ 559 Abs. 4 BGB) erhoben werden kann, sofern der von einer Mieterhöhung betroffene Haushalt mehr als 30% seines verfügbaren Nettoeinkommens aufwenden müsste, um die künftige Bruttowarmmiete bezahlen zu können.

Dringender Handlungsbedarf besteht auch bei den Mietobergrenzen, die im Rahmen der Kosten der Unterkunft festgelegt werden und seit dem 1.1.2019, also genau in der Zeit, in der die Mieten in Lübeck förmlich explodiert sind, nicht mehr angepasst wurden. Daher stehen immer mehr Leistungsbezieher vor der Situation, die fehlende Mietdifferenz irgendwie selbst aufbringen zu müssen, um nicht in Rückstand zu geraten oder im schlimmsten Fall sogar die Wohnung zu verlieren.

Es ist unbedingt notwendig, die Situation im Bereich der Wohnraumversorgung effektiv und nachhaltig in einen fairen Ausgleich zu bringen. Dazu bedarf es in Lübeck einen "Masterplan sozialer und gemeinnütziger Wohnungsbau", wie es bereits die IG Bau für die Bundesebene richtigerweise gefordert hat. Dem von der Lübecker Wohnungswirtschaft in den vergangenen Jahren favorisierten Ersatzneubau muss Einhalt geboten und stattdessen der Schwerpunkt auf Zusatzneubau, Aufstockung und Ausbau von Dachgeschossen gelegt werden. Denn entscheidend ist letztendlich nicht die Anzahl fertig gestellter Wohnungen, sondern die Tatsache, ob sich der Gesamtbestand an Mietwohnungen auf der Angebotsseite unter dem Strich vergrößert hat und ob die neu errichteten Wohnungen für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen leistbar sind.

Auch die berühmten Sickereffekte, die gern als Argument bemüht werden, dass der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen den Markt entlaste, da die künftigen Eigentümer ihre bisherigen Mietwohnungen frei machen, verschleiert, dass die frei gewordenen Wohnungen regelmäßig zu Höchstpreisen neu vermietet werden und daher für Haushalte mit finanziell eingeschränkten Möglichkeiten nicht in Betracht kommen. Außerdem ist es keineswegs so, dass Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen ausschließlich von Personen erworben und bezogen werden, die zuvor eine Wohnung in Lübeck angemietet hatten.

 "Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit" (Horst Seehofer). Insofern sollte es allen Menschen in Deutschland möglich sein, eine angemessene Wohnung mieten und bezahlen zu können. Aktuell besteht diese Möglichkeit in Lübeck jedoch nicht. Der erhebliche Rückgang im Sozialwohnungbestand und die nicht ausreichende Anzahl fertig gestellter und leistbarer Zusatzneubauten machen es absehbar, dass auf lange Sicht die Zahl der am Wohnungsmarkt benachteiligten Haushalte auf hohem Niveau bestehen bleibt und sich vermutlich noch erhöhen wird. Das Wohnen zur Miete darf nicht zu einem Armutsrisiko werden!

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