Lübeck, August 2017

Wohnungswirtschaft kaum interessiert am vergünstigten Erwerb städtischer Grundstücke

 Thomas Klempau, DMB Mieterverein Lübeck

Seit Juli 2016 gilt die "Verbilligungsrichtlinie" in Lübeck, die es der Stadt ermöglicht, eigene Grundstücke deutlich günstiger an Investoren verkaufen zu können. Die Richtlinie stellt eine Abkehr von der Veräußerung städtischer Grundstücke nach dem Höchstpreisverfahren dar und soll der Ankurbelung des Sozialwohnungsbaus dienen. Wer sich verpflichtet, eine bestimmte Quote an Wohnungen mit preisgünstigen Mieten auf den erworbenen Flächen zu bauen, kann ein städtisches Grundstück bis zu 60 Prozent unter dem Verkehrswert erwerben.

Mit Blick auf das verfolgte Ziel, ist die Richtlinie zu begrüßen, obwohl es einer Förderung mittels nicht rückzahlbarer Zuschüsse entspricht. Sie passt gut zu dem Sonderprogramm "erleichtertes Bauen", welches Anfang 2016 mit einem Volumen von 400 Mio Euro vom Land aufgelegt worden ist und dem Bau von 4.000 Wohnungen für bedürftige Haushalte dienen soll. Die Förderkonditionen sehen u.a. eine Übernahme von bis zu 100 Prozent der Planungs- und Baukosten, einen nicht rückzahlbaren Investitionszuschuss von 250 Euro pro m² geförderter Wohnfläche sowie eine Zinsbefreiung für die ersten 20 Jahre vor. Bedingung ist, dass der Zuwendungsempfänger ein lastenfreies Grundstück stellt, was aufgrund der Verbilligungsrichtlinie kein unüberwindbares Hindernis für Investitionen auf dem Lübecker Wohnungsmarkt darstellen dürfte.

Unsere Zweifel, dass die Wohnungswirtschaft jetzt mit voller Kraft durchstarten und die seit Jahren anwachsende Kluft zwischen Angebot und Nachfrage in diesem stark angespannten Wohnungssegment durch entsprechende Neubautätigkeit schließen oder zumindest spürbar verringern wird, scheinen sich leider zu bewahrheiten. Ein solches Durchstarten hätte längst geschehen können, denn schon bisher standen attraktive Förderprogramme des Landes abrufbereit zur Verfügung, die den Neubau von Wohnungen mit bezahlbaren Mieten zu einträglichen Renditen ermöglichen. Stattdessen fordert die Wohnungswirtschaft immer neue und zusätzliche Impulse von Land und Kommunen, da sich der Bau von Sozialwohnungen ansonsten nicht für sie "lohne". Damit scheint sich auch die Sorge zu bestätigen, dass es in Lübeck zunehmend nur noch darum geht, die größtmögliche Rendite aus der Vermietung von Wohnraum zu erzielen und nicht mehr darum, wie Haushalte mit finanziell eingeschränkten Möglichkeiten mit für Sie bezahlbaren Wohnungen versorgt werden können. Hier und dort bewegt sich zwar etwas. Insgesamt gesehen geschieht bisher aber viel zu wenig.

Mit der Verbilligungsrichtlinie hat die Lübecker Bürgerschaft einen starken Anreiz gesetzt. Das Argument, hohe Grundstückserwerbskosten würden den Bau von Wohnungen mit preisgünstigen Mieten nicht zulassen, greift hier nicht durch. Von der Wohnungswirtschaft ist zu erwarten, dass sie ihrer sozialen Verantwortung für eine am Bedarf orientierte Wohnraumversorgung nachkommt, und zwar auch und insbesondere in den niedrigen Mietpreissegmenten. Denn hier ist der Bedarf bereits seit Jahren und mit Abstand am größten.

Sollte es weiterhin nicht gelingen, den Bau von Sozialwohnungen trotz äußerst attraktiver Förderinstrumente ankurbeln zu können, sind zeitgemäße Konzepte gefordert, die sich an den Strukturen bis zur Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit Ende der 1980er Jahre orientieren, als das Gemeinwohlinteresse in der Wohnraumbewirtschaftung wichtig war und eine tragende Säule in der Wohnraumversorgung darstellte. In Anbetracht einer stetig ansteigenden Nachfrage nach Wohnungen mit preisgünstigen Mieten und eines Wohnungsmarktes, der nicht in der Lage ist, hier ein ausreichendes Angebot vorzuhalten, steigt die Notwendigkeit zum Aufbau eines Wohnungsmarktsegments mit dauerhaft dem Gemeinwohl verpflichteten Unternehmen als Gegenstück zu einer immer stärker werdenden rendite- und finanzmarktorientierten Immobilienwirtschaft. Vertiefende Informationen zum Thema "Neue Wohnungsgemeinnützigkeit" sind hier und auch hier zu finden.

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